Die Digitalstrategie wird immer noch in sehr vielen Unternehmen sehr unterschiedlich verstanden. Vielleicht, weil es keine konkrete Definition gibt und jeder etwas anderes darunter versteht. Ist es die Digitalisierung von analogen Prozessen oder die Entwicklung von digitalen Geschäftsmodellen? Die Antwort ist: “Ja” – es sind beide Aussagen richtig. Zu einer vollumfänglichen Digitalstrategie gehören alle Punkte dazu.
In Anlehnung an die “Innovation Ambition Matrix” von Nagji und Tuff haben wir die unterschiedlichen Stufen der digitalen Transformation aufgezeigt:
- Optimierung des Kerngeschäfts
- Digitale Geschäftserweiterung
- Neue digitale Geschäftsmodelle
Optimierung des Kerngeschäfts
In der Regel ist der erste Schritt bei der Umsetzung der Digitalstrategie eines Unternehmens, dass das Kerngeschäft optimiert wird. Das bekannte Geschäftsmodell bleibt bestehen. Es gibt Veränderungen in den Prozessabläufen und der Organisation. Prozessschritte werden mit dem Einsatz von Software vereinfacht, beschleunigt oder automatisiert. In diesem Stadium bewegen sich immer noch sehr viele Unternehmen bzw. starten damit. Begleitende Dokumente oder Schriftstücke in der Produktion werden durch das digitale Pendant ersetzt, Daten werden automatisiert an die angrenzenden Prozesse übermittelt und das Dokumenten- und Datenmanagement wird vereinheitlicht.
Das sind nur einige Beispiele, die Firmen in dieser Phase der Digitalisierung unternehmen. Die Aktivitäten dienen dazu, die Kosten in der gesamten Organisation zu senken und heben möglicherweise die industrielle Fertigung auf das nächste Level – bekannt ist dieses Vorgehen auch unter Industrie 4.0. Jedoch bedeutet eine optimierte Produktion nicht mehr Umsatz, sondern “nur” geringere Kosten. Weiter als “Lean Management in der digitalen Ära” wird nicht gedacht.
Um aber neue Einkommensquellen zu erschließen, sollte deutlich weiter gedacht werden. Die Digitalisierung kann in zwei weiteren Stufen in Ihrem Unternehmen genutzt werden, die beide mehr Umsatz durch digitale Produkte, Services oder Plattformen versprechen:
- Digitale Geschäftserweiterung
- Neue digitale Geschäftsmodelle
Nachfolgend schauen wir uns hierzu die Denkweisen, Konzepte und Beispiele an.
Digitale Geschäftserweiterung
Der erste Schritt, wenn es um digitale Geschäftsmodelle geht, ist in der Regel die Geschäftserweiterung durch digitale Komponenten eines bestehenden Angebots. Vertriebskanäle werden digitalisiert oder physische Produkte bekommen mittels IoT einen digitalen Mehrwert.
Ein Beispiel ist die Einführung eines Online-Shops. Dies verändert den Vertriebsweg, aber nicht das Geschäftsmodell per se: Ein Schuhverkäufer verkauft Schuhe, ob online oder im Handel. Aber durch die digitale Erweiterung kann er neue Kundengruppen erschließen oder seine Reichweite erhöhen.
Wie IoT als Erweiterung genutzt wurde, zeigt das Beispiel des “Smart Connect” Service des ÖAMTC. Zusätzlich zur jährlichen Mitgliedschaft bietet der ÖAMTC mit diesem Zusatzangebot eine Möglichkeit, die aktuellen Zustandsdaten seines Fahrzeuges abzurufen. Auftretende Probleme können direkt an den Fahrer und den Automobilclub weitergeleitet werden, so dass der Fahrer hier schon proaktiv gewarnt wird, bevor das Fahrzeug ausfällt. Abgerechnet wird dieser Service über eine monatliche Pauschale, die dem Verkehrsclub zusätzliche Einnahmen beschert. Zusätzlich fungiert so eine Lösung auch als gutes Marketinginstrument.
Ein weiteres Beispiel einer digitalen Geschäftserweiterung zeigt die Kion Gruppe mit ihrer neuesten Generation der Linde Material Handling Gabelstapler. Nach dem Kauf des Gabelstaplers können zusätzliche Services hinzugebucht werden, die erst durch die Realisierung des digitalen Zwillings des Staplers ermöglicht wurden. Eine Wiegefunktion in der Gabel oder der Schaufelbetrieb sind nur zwei Möglichkeiten, die angeboten werden.
Auch wenn diese Beispiele für viele Unternehmen schon sehr innovativ sind, sind die Lösungen immer noch sehr nah am ursprünglichen Geschäftsmodell. Der nächste Schritt ist die Entwicklung grundlegend neuer digitaler Geschäftsmodelle.
Neue digitale Geschäftsmodelle
Um aber radikale Veränderungen hervorzurufen, reicht die Geschäftserweiterung allein nicht. Bleibt man in diesem Sektor, ist das Innovationspotential nur eingeschränkt, da man gedanklich immer noch zu nah am Kerngeschäft ist. Für ausserordentliche Innovationen ist es notwendig, abseits des bestehenden Geschäftsmodells nach neuen Umsatzquellen zu suchen. Man muss sich in Ebenen bewegen, an die man vorher noch nicht gedacht hat, die zuvor nicht für möglich erschienen.
Eine Option ist, dass man ein Plattformanbieter wird, wie LANXESS mit CheMondis. Das StartUp ist eine Ausgründung aus dem Chemiekonzern. Die offene Plattform ist ein Marktplatz der die spezifischen Anforderungen der Chemieindustrie adressiert. Hier kann jedes Unternehmen Chemikalien anbieten, nicht nur der Initiator LANXESS. Somit entstand ein völlig neues Geschäftsmodell für den Konzern, abseits des regulären Geschäfts. Das Plattformgeschäftsmodell wird auch gerne als “Königsklasse” bezeichnet, da es insgesamt sehr komplex ist, eine profitable Plattform aufzusetzen und zu betreiben. Mit die größte Herausforderung ist, dass man sowohl auf der Anbieter- als auch auf der Abnehmerseite ausreichend Nutzer akquirieren muss damit die Plattform ihr Potential entfalten kann.
Eine andere Alternative ist, dass man sich von einem klassischen Dienstleistungs- oder Produktangebot hin zu einem Softwarehersteller wandelt. Schaut man sich die Entstehungsgeschichten diverser SaaS (Software-as-a-Service) Lösungen an, folgen diese oftmals einem ähnlichen Muster, wie bei Shopify: Um einen Online-Shop für Snowboardausrüstungen auf die Beine zu stellen, waren die Gründer von keiner vorhandenen eCommerce-Lösung begeistert. Somit entschieden sie sich dafür eine eigene Software zu entwickeln, aus dieser Basis entstand Shopify. Und genau diesen Gedanken kann jedes Unternehmen durchspielen: “Haben wir eine eigens entwickelte Software, die einen Mehrwert für eine ganze Branche bieten kann?”.
Ein Beispiel: Eine spezialisierte Anwaltskanzlei lässt sich für ihr Rechtsgebiet eine Software schreiben, um damit Abläufe effizienter und automatisiert zu bewerkstelligen. Auch die Mandanten haben einen hohen Nutzen davon, da die Mitarbeiter damit gerne interagieren und die Arbeit leichter und genauer ist. Die “klassische” Anwaltskanzlei würde es genau diesen Status Quo beibehalten und die Software bestenfalls als Marketingtool einsetzen, um neue Mandanten zu gewinnen. Eine Kanzlei, die in neuen Geschäftsmodellen denkt würde zumindest validieren, ob es hier einen Markt für eine SaaS-Lösung gibt. Potentiell kann hier bei jedem Mandanten des Wettbewerbs mit verdient werden, wenn man sich von einer reinen Kanzlei hin zu einem SaaS-Anbieter wandelt.
Basis schaffen um daraus Schlüsse für Innovationen zu ziehen
Nicht ohne Grund haben wir in diesem Artikel die Digitalstrategie in drei Stufen kaskadiert. In der Regel bewegen sich Unternehmen genau in dieser Reihenfolge durch die digitale Transformation. Die wenigsten starten direkt mit einem neuen Geschäftsmodell.
Wichtig ist es, zuerst einmal die Basis zu schaffen und grundlegende Prozesse im Unternehmen zu digitalisieren und Daten strukturiert zu sammeln. Erst wenn man seine Daten kennt, kann überlegt werden, welche digitalen Geschäftserweiterungen oder -modelle machbar sind.
Reflektieren Sie noch einmal genau, an welchem Punkt Sie stehen, oder was Sie bei Ihrer Digitalstrategie übersehen haben könnten. Sollten Sie hierfür einen Sparringspartner benötigen, kontaktieren Sie uns gerne.