Expert Views

Published on Aug 15, 2017

API Management – Grundpfeiler für Plattform-basierte digitale Geschäftsmodelle (Teil 1)

Rise of the APIs – Trends und Treiber der API-Economy

In einer digitalen Welt werden nicht nur IT-Infrastruktur, wie Rechenleistung oder Speicherkapazität, als Cloud-Dienste via APIs bereitgestellt. Auch Software wird zunehmend als Software-as-a-Service konsumiert und über web-basierte und standardisierte Schnittstellen weiterentwickelt und in die Unternehmensprozesse integriert.

Die Evolution der Softwareentwicklung hin zu agilen, iterativen Deployments, die in Form von Microservices erfolgen und meist in Container betrieben werden, führt ebenfalls zu einer Explosion an APIs, die dokumentiert, weiterentwickelt, gemanaged und gesichert werden müssen.

Hinzu kommt, dass die digitale Transformation klassische Industriekonzerne zu Softwareunternehmen werden lässt. Der Verkauf von Maschinen und Technologien wird sukzessive ergänzt durch intelligente Steuerungs- und Predictive Maintenance-Software sowie neue Geschäftsmodelle auf Basis elaborierter IoT-Plattformen, auf denen Kunden und Partner neue Services entwickeln. Der Aufbau der sogenannten digitalen „Ökosysteme“ setzt eines zwingend voraus – eine Öffnung der eigenen Plattform gegenüber Partnern, Entwicklern und Startups. APIs werden somit zum zentralen Enabler des digitalen Neugeschäfts und zum Bindeglied zwischen den Unternehmen und ihren Partnern.

Design, Architektur und Management der APIs sollte im Kontext der Digitalisierung somit Chefsache sein (siehe unten) und frühzeitig und strategisch angegangen werden. Denn auch auch die Automatisierung von Unternehmensprozessen (Industrie 4.0, Robotics) sowie der Einsatz von Chatbots oder die Vernetzung von Endgeräten via IoT-Netzwerke setzt eine Integration via APIs voraus.

Vermessung der API-Economy – Mehr als 18.000 öffentliche APIs, Tendenz steigend

Das Universum an APIs hat sich in den letzten Jahren massiv ausgedehnt. So sind laut API-Directory Programmable Web (Status 09.08.2017) derzeit mehr als 18.000 APIs öffentlich zugänglich. Die Anzahl der unternehmensinternen APIs, die potenziell „exposed“ werden können, liegt um den Faktor 3-4 höher. Damit wird das noch unerschlossene Potential für digitale Produkte und Wertschöpfung sichtbar.


Quelle: Programmable Web, https://www.programmableweb.com/news/programmableweb-api-directory-eclipses-17000-api-economy-continues-surge/research/2017/03/13

Die Vermessung der API-Economy ist methodisch nicht ganz trivial. Aber allein die Beispiele von Google, Twitter oder eBay machen deutlich, dass das Plattform-Business über APIs nicht nur ein substanzieller Umsatzbringer in der Medien- und Internetbranche ist, sondern vor allem die allseits erwünschte Skalierung des eigenen Digitalgeschäfts ermöglicht. Sehr deutlich wurden zum Beispiel die Rolle der APIs bei Logistikern wie DHL, die durch eine hohe und sichere Verfügbarkeit ihrer APIs zum Beispiel einen signifikanten Marktanteil des Versandvolumens bei eBay erreichen konnten. Absender- und Empfänger-Adressen sowie die gesamte Bezahlung des Portos kommen von eBay/Paypal, während die Kernkompetenz der Logistik von DHL kommt. Gelingt es zudem Unternehmen ihre Webservices und Daten durch eine Community von tausenden Entwicklern und Partnern kommerzialisieren, weiterentwickeln und vermarkten zu lassen, ist ein exponentielles Wachstum und eine hohe Profitabilität durchaus möglich.

Crisp Research geht davon aus, dass die Digitalisierung und IoT-basierten Geschäftsmodelle der traditionellen Branchen (z.B. Industrie, Transport, Finanz- und Versicherung, Consumer Goods) in den kommenden 3-5 Jahren einen signifikanten Anteil an der API-Economy ausmachen werden, die heute noch von den Internet- und eCommerce-Unternehmen dominiert werden.

Lufthansa, adidas, Osram, GE – New API-Kids on the Block

So wandelt sich auch die Landschaft der API Provider, die um die Aufmerksamkeit und Innovationskraft der weltweiten Entwickler und Startups buhlen. Während noch vor wenigen Jahren die großen Internet- und Cloud-Unternehmen, wie Google, eBay, Twitter, AWS, Salesforce und die globalen Logistiker (API Provider 1. Generation), mehr oder minder allein auf weiter Flur standen, haben sich in den letzten Jahren tausende von Startups (API Provider 2. Generation) darangemacht, ihre Wachstums- und Go-to-Market-Strategien auf eigenen APIs und dem Aufbau von Communities und Ökosystemen aufzusetzen. Ein erfolgreiches Beispiel dafür ist der amerikanische Kommunikationsdienst-Anbieter twilio.com, der fast ausschließlich API-Zugriffe verkauft. So existieren heute auch nur noch wenige erfolgreiche Startups und Cloud Companies, die ohne ein aktives API- und Community Management auskommen. Denn es gilt: Plattform Business = API Business.

Mittlerweile haben auch die führenden Industriekonzerne und Consumer Brands die Mächtigkeit und Vielseitigkeit von APIs für sich entdeckt und treiben das API Management als strategische Initiative im Rahmen ihrer Digitalisierungsstrategien aktiv voran (API Provider 3. Generation). Als Best Practices in dieser Kategorie der Innovatoren auf Unternehmensseite sind beispielsweise Lufthansa, adidas und Osram zu nennen.

  • Lufthansa API: Mit der „Lufthansa Group Open API Initiative“ hat Lufthansa sich für externe Partner und Developer geöffnet und bietet diesen API-Zugriff auf eine Vielzahl an Daten sowie die Möglichkeit, Flugbuchungen und Ticket-Verkäufe aus Partner-Apps heraus zu realisieren. Auf diese Weise etabliert sich Lufthansa nicht nur als attraktiver Plattform-Provider in der sehr stark regulierten und vermachteten Airline-Industrie, sondern erschließt auf innovative Weise einen neuen Vertriebs- und Umsatzkanal. Die Herangehensweise und Umsetzung der Initiative kann nur als gelungen bezeichnet werden und ist sicherlich wegweisend für viele andere Akteure in der Reise- und Transportbranche. So hat Lufthansa frühzeitig Partner und Startups in die Entwicklung und das Testing der ersten API-Versionen eingebunden, um frühes Feedback aus der Community zu erhalten, wie Tritus Gleb, Geschäftsführer der Lufthansa Innovation Hub GmbH berichtet. Auch die Zusammensetzung des Teams aus Mitgliedern der Digital-Tochter, der Corporate IT sowie der Fachbereiche zeigt, dass interdisziplinäre Teams und Co-Creation bei komplexen API-Projekten ein Erfolgsfaktor sind.
  • Adidas API: Als globaler Sport- und Lifestyle-Brand ist adidas stark von Trends und Innovationen geprägt und muss in der Lage sein, seine Marketing-, Produktions- und Logistikprozesse schnell anzupassen und flexibel zu gestalten. Ein strategisches API Management schafft seitens der adidas Corporate IT die Grundlage, neue Geschäftsmodelle und vernetzte Produkte schnell zu entwickeln und zu fertigen, indem sich die Vielzahl an internen und externen IT-Lösungen und Cloud-Diensten leicht verbinden lassen. Vorgehensweise, Strukturierung und Dokumentation der adidas API Guidelines können als „State of the Art“ bezeichnet werden und anderen Unternehmen gut als Blueprint zur Entwicklung eigener APIs dienen. Auf diese Weise unterstützt Markus Rautert, Senior Director Enterprise Architecture der adidas Global IT, mit seinem Team die Umsetzung der Unternehmensstrategie, welche durch die Themen „Schnelligkeit, Open Source und Cities“ definiert ist.
  • Osram API: Nach dem Verkauf durch Siemens hat sich der deutsche LED-Pionier Osram strategisch neu aufgestellt. Als Lösungs- und Technologieanbieter entwickelt Osram intelligente und vernetzte LED-basierte Beleuchtungssysteme für unterschiedliche Einsatzbereiche, wie Automotive, Groß-Events, Connected Building und Smart Cities. Die Etablierung IoT-basierter Plattformen soll für Kunden, Partner und Entwickler neue Innovations- und Integrationsmöglichkeiten bieten, um somit wachstumsträchtige digitale Geschäftsfelder zu erschließen. So wurden für die digitale Lichtlösung „Lightify“ erste APIs released, weitere APIs im Kontext der neuen Osram-Plattformen sind laut Dr. Thorsten Müller, SVP Innovation bei Osram, in Planung. Auch dies ein gutes Beispiel für das Umdenken und den neuen digitalen Innovationsgeist deutscher Konzerne, die sich mitten in der Transformation vom Technologielieferant zum Softwarekonzern befinden.

API Management – Strategische Aufgabe für CDOs, CTOs und CIOs

Gemäß der strategischen Relevanz von APIs als „Digital Business Enabler“ sowie als Garant der Datenhoheit im Unternehmen (hier werden ja auch die Regeln definiert, überwacht und abgerechnet, nach denen externe Stakeholder auf Unternehmensdaten und -Dienste zugreifen), sollte das Thema auf oberster Ebene verankert und verantwortet werden. API Management sollte somit auf der Agenda von CIOs, CTOs und Chief Digital Officers bzw. Chief Data Officers sehr weit oben stehen. Und natürlich sollte gewährleistet sein, dass die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sinnvoll und praktikabel geregelt sind.

Betrachtet man API Management somit als strategische Aufgabe, so umfasst diese folgende Handlungsfelder:

  • API Strategy: Abstimmung mit Digitalstrategie / Unternehmensstrategie; Ableitung der Zielsetzung & KPIs, Planung von Ressourcen & Skills, Festlegung von Vorgehensweisen, Methoden, Guidelines und Technologieeinsatz; Konzepte für Community Building und Developer Evangelism und vieles mehr
  • API Design & Architecture: Data Discovery & Understanding, Konzeption der Plattform-Architektur, Definition der API-Struktur, Scoping und Spezifikation des API-Funktionsumfangs, Festlegung API Protocolls, Message Formats und Application Level Semantics
  • API Development: Prototyping, Testing und Implementierung der APIs und Überführung in ein agiles, aber klar definiertes Innovations- und Lifecycle Management; Unterstützung für unterschiedliche Entwicklungssprachen, Frameworks und Tools
  • API Management: Lifecycle und Release Management, Security Management Data Governance, Policy Management, Documentation, Partner & Ecosystem Management
  • API Security: Auch wenn APIs an vielen Stellen direkt auf Unternehmenssysteme zugreifen müssen, um zum Beispiel einen Lieferstatus aus einem ERP oder PLM auszulesen, müssen diese Systeme und die Privatsphäre der Daten natürlich geschützt sein.

API Management – First Steps und Best Practices

Doch wie sollten Unternehmen idealerweise mit dem Thema API Management starten? Um diese Frage zu klären und eine klare Roadmap zu entwickeln, muss initial analysiert und festgelegt werden, welche Rolle APIs bei der Umsetzung der Cloud- sowie der Digital-Strategie spielen. Sollen komplexe Multi- und Hybrid-Cloud-Szenarien mit einer Vielzahl von Providern realisiert werden, kommt man an einem professionellen API Management als Teil der Cloud-Integration und des automatisierten Cloud-Betriebs ohnehin nicht vorbei. Ebenso gilt: verfolgt das eigene Unternehmen einen Plattform- und Ökosystem-basierten Digitalisierungsansatz, ist eine vorausschauende API Strategie ebenfalls unverzichtbar.

Sinnvolle „Next Steps“ für ein professionelles API Management können folgendermaßen aussehen:

  • API Readiness Assessment: Klärung der Frage: Wo stehen wir und welches Ziel soll erreicht werden? Analyse im Hinblick auf Stakeholder, Ziele, Datenquellen, bestehende APIs, funktionale Anforderungen, Skills, Systemlandschaft etc.
  • API Roadmap: Was, warum, wie, wer? Konkretisierung in Form eines Maßnahmenplans inkl. erster Abschätzung zu notwendigen Ressourcen, Budgets, Timelines, Technologien sowie Partnern und Beratern
  • API Labs: Einstieg über Prototypen, PoCs und MVPs getreu dem Motto: Einfach machen! Operative Erfahrungen beim Design, der Entwicklung und Nutzung von APIs sind durch nichts zu ersetzen. Dabei sollte gelten, dass zuerst intern getestet und geübt wird, bevor APIs einem breiteren Ökosystem zugänglich gemacht werden
  • API Academy: Aufbau und Vertiefung entsprechender Skills und Erfahrungen z.B. durch guten Learning Content, Best Practices anderer Unternehmen, Prototypen-Bau, Besuch von Hackathons, Konferenzen, Austausch mit Kollegen, Developern, Analysten
  • API Technologieauswahl: Evaluierung, Testing und Auswahl geeigneter Tools für das API Development, Management und Security

Lesen Sie in Kürze im Teil 2 unseres Analyst Views mehr zum Thema „API Management – Markttrends, Technologie-Auswahl und Provider-Landschaft“.